„Dem Alter zur Ehre,
der Jugend zur Lehre!“
Es ist nicht überliefert ab wann und wo die Kinder vor der Gründung der Vikarie 1772 in Hitdorf unterrichtet wurden.
Sicher ist, dass Bildung vor dieser Zeit und auch noch nach dieser Gründung ein Privileg der Oberschicht war. Bildung war teuer und oblag zumeist dem Klerus, Klöstern und Abteien.
Auch die vom Preußenkönig Friedrich-Wilhelm I. 1717 eingeführte Schulpflicht, änderte nicht wirklich etwas an der prekären Situation der mangelnden Bildung der einfachen Bevölkerung.
Für die einfache Landbevölkerung, deren Erwerb sich zumeist aus der Landwirtschaft bezog, war diese Schulpflicht eh ein Dorn im Auge! Denn man brauchte die Kinder im Stall und auf dem Feld um das Überleben der Familie und auch der Versorgung der Dorf- und Stadtgemeinschaften zu sichern!
Auch in den Familien der einfachen Arbeiterschaft mussten Kinder zum Broterwerb beitragen. Man beachte dabei die in Hitdorf ansässige Streichholzproduktion, die vor der Industrialisierung zumeist von den angestellten Mitarbeitern, ihren Frauen und Kindern in Heimarbeit am heimischen Küchentisch oder deren Hinterhöfen verrichtet wurden. Ein Vorläufer des modernen Homeoffice! 😉
Somit blieben die meisten Kinder der oder den Schulen fern und trugen mit ihrer Arbeitskraft zum Überleben der Familien und der Versorgung der Allgemeinheit bei.
Dieses Schul-Edikt war eh bestenfalls eine wohlgemeinte Absichtserklärungen Seitens der absolutistischen Landesherren und des Preußenkönigs. Dieses bestätigt eine preußische Statistik von 1816, die belegt, dass zu diesem Zeitpunkt gerade einmal knapp 60% der Kinder im Schulpflichtigen Alter an den öffentlichen Schulen registriert waren! Und „Registriert“ hiess nicht, dass diese Kinder die Schulen auch besuchten!
Dieses änderte sich in Hitdorf mit dem 26. Februar 1772, der Gründung der Vikarie und damit einhergehend die Hitdorfer Schule!
Standort der 1. Hitdorfer Schule im September 2020
Foto: Dirk Hülstrunk, Hitdorf
Die 1. Hitdorfer Schule stand auf dem heutigen Gelände der St. Stephanus Kirche direkt an der Mühlenstrasse, der heutigen Hitdorfer Strasse.
Leider ist es nicht überliefert, ob die Schule in einen Neubau oder in ein schon bestehendes Gebäude einzog. Bekannt ist aber die Beschreibung des Gebäudes die wie folgt klingt:
„Das einstöckige Gebäude verfügt über ein Klassenzimmer und auch über eine Wohnung für den Vikar!“
Schulpflichtig waren alle Kinder vom 5. bis zum 15. Lebensjahr. Wie ernst diese „Schulpflicht“ seitens der Bevölkerung genommen wurde, zeigt die oben beschriebene Preußische Statistik von 1816! 😉
Der erste Vikar im Lehramt war Wilhelm Esser. Ihm folgte der Vikar Johann Eberhard Schnitzler. Dieser wurde durch den Hitdorfer Gemeinderat gewählt und durch die Kurfürstliche Kammer bestätigt.
Um die Wende ins 19. Jahrhundert muss der Vikar Rolink im Schulamt tätig gewesen sein. In seiner Dienstzeit litt das Schulgebäude sehr unter „körperlichen Gebrechen“! Vikar Rolink und die Munizipalräte Klockengießer, Wirtz und Schmitt verfassen um 1805 ein Schreiben an den Landrat, dass… „eine Reparatur nicht zu umgehen sei, wenn nicht das ganze Schulgebäude dem Einsturz preisgegeben werden soll!“
Am 03. März 1809 wird die Instandsetzung und Renovierung des Schulgebäudes vom Landrat beschlossen und genehmigt. Am 30. Dezember 1809 erhielt der Handwerksmeister Heinrich Rademacher den Zuschlag, die Schule für 435 Thaler instandzusetzen.
Am 14. Mai 1813 wählte der Gemeinderat unter dem Vorsitz von Pfarrer Herriger den gebürtigen Hitdorfer Jakob Leven zum Nachfolger des Vikars Rolink. Jakob Levens lehramtliche Fähigkeiten erwarb er durch die Ablegung einer Prüfung vor dem Düsseldorfer Schulinspektor.
Zur Zeit des Jakob Leven erwog man die Anstellung eines 2. Lehrers. Eines „Unterlehrers“.
Diese 2. Lehrerstelle unterlag wohl dem Umstand der stetig wachsenden Schülerzahlen durch die zunehmende Bevölkerung dank der zunehmenden Industrialisierung Hitdorfs. Auch war der Unterricht aller Schüler in nur einem Klassenzimmer nicht mehr möglich und tragbar.
So entschloss man sich zu einem Antrag an den Landrat von Hauer in Opladen, um Genehmigung für den Anbau eines zweiten Klassenzimmers an das vorhandene Gebäude.
Das Bemühen der Gemeinde fand bei Landrat von Hauer wohlgefallen, so das dieser in einem Schreiben von 1819 „…den Gemeinsinn und den guten Geist der Hitdorfer!“ ….lobte.
Der Bau der Schulerweiterung scheint sich aber noch bis ins Jahr 1821 verzögert zu haben, denn erst am 15. Oktober 1821 bewilligte die Bezirksregierung die Beihilfe von 100 Thalern zum bau des 2. Klassenzimmers.
Am 01. August 1821 kündigte Vikar Jakob Leven seinen Dienst. Sein Nachfolger wurde der Vikar Heinrich Kleutgen aus Ramsbach. Ihm überreichte Landrat von Hauer seine Ernennungsurkunde am 29. Dezember 1821.
In dieser Zeit fällt in einem landrätlichen Schreiben der Name Hermann Adolphs, der als Unterlehrer für Hitdorf erwähnt wird.
Am 24. Juli 1822 verfügt die Regierung dem Unterlehrer Adolphs ein Gehalt für das Jahr 1822 zu zahlen. Demzufolge arbeitete Adolphs vorher für eine Entlohnung, die die Gemeinde Hitdorf freiwillig für diesen aufbrachte.
Am 16. April 1824 kündigte Vikar Kleutgen seine Stellung und wechselte als Pfarrer an die katholische Gemeinde Wermelskirchen.
Vikar Kleutgen bemühte sich noch selbst, um den Lehrer Stommel aus Zons am Rhein, als seinen Nachfolger zu gewinnen. Ob sein Bemühen von Erfolg gekrönt war, verraten die Schulakten leider nicht. Wohl aber verraten die Akten, dass sich zur selben Zeit die Gemeinde um den pensionierten Mönch aus Altenberg, Reiner Rüttgen, bemühte. Aber auch diese Bemühung war laut Aussage des Landrates nicht erfolgreich.
Es ist aber nicht anzunehmen, dass die Schulkommission den Unterlehrer Hermann Adolphs ganz allein mit den vielen Kindern seinem Schicksal überlassen hat. Aber leider geben die Akten auch keine anderweitigen Informationen dazu preis.
Der Name des Lehrer Brandt taucht erstmalig in einem mit diesem am 26. Oktober 1827 abgeschlossenem Gehalts- und Pflegekontraktes auf. Darin wurde festgelegt, dass er, Lehrer Brandt, dem Unterlehrer Hermann Adolphs, der zwischenzeitlich seine mündliche und schriftliche Prüfung zum Lehrer abgelegt hat, frei zu beköstigen und diesem ein Jahresgehalt von 60 Thalern zu zahlen habe.
Die feste Anstellung des Lehrer Hermann Adolphs fand am 06. November 1827 durch die Verfügung der Regierung statt. In dem selben Jahr wurde auch der erneute Ausbau des Schulhauses beraten. Geplant war der Ausbau der Lehrerwohnung und der Anbau eines 3. Klassenzimmers, um den weiter wachsenden Kinderzahlen in Hitdorf gerecht zu werden. Wie auch schon bei dem ersten Umbau scheiterte die Ausführung an der Aufbringung der Kosten.
1838 schied der Unterlehrer Hermann Adolphs aus dem Schuldienst aus und ging in Pension. An seine stelle trat am 19. Januar 1839 der Unterlehrer Brauweiler. Dieser hielt es aber nicht sehr lange in der Hafenstadt Hitdorf aus. Noch kürzer war die Dienstzeit, die der Nachfolger von Brauweiler, der Lehrer Nasheuer, an der immer noch zweiklassigen, sehr baufälligen Schule verbrachte.
Die im Jahr 1838 auf 332 Kinder angestiegene Schülerzahl stellte die Notwendigkeit von genügend grossen Schul- und Wohnräumen deutlich heraus. Weitsichtigen Männern der zuständigen Ausschüsse wurde klar, dass die alte Schule auch bei vollständiger Renovierung und Umbau den an sie gestellten Forderungen nicht mehr gewachsen war.
Am 09. November 1840 wurde der Seminarist Arnold Kohl durch die Gemeinde zum 2. Lehrer ernannt. Einige Monate zuvor, am 14. April, ist der Lehrer Brandt zum 1. Lehrer ernannt worden.
Wer nun letztendlich der Vater der genialen Idee war, eine neue Schule in der Ortsmitte zu errichten, lässt sich nicht mehr ermitteln. Aber mit genau dieser Idee beschäftigte sich der Gemeinderat am 23. Juli 1840 und es stellte sich heraus, dass bis auf die Herren Goergens und Richrath, alle anderen Ratsmitglieder sich für einen Neubau im Ortskern aussprachen.
Der Beschluss des Neubaus einer Schule im Ortskern nahm in den folgenden Jahren immer weitere Formen an. Und wie so oft, stehen hinter schwierigen Entscheidungen, willensstarke und selbstbewusste Persönlichkeiten, die diese Entscheidungen voran treiben. Diese Namen sind hier nun zu erwähnen: Bürgermeister Jakob Joseph Rosellen und der Kaufmann Sigismund Pabstmann. Beide erwarben sich bleibende Verdienste um die Bildungsstätte der zukünftigen Stadt Hitdorf.
Pabstmann war nicht nur der Befürworter dieser guten Idee, die er immer wieder gegen Widersacher verteidigen musste. Er stellte, mit noch zwei weiteren Bürgern, der Familie Arezt und der Familie Reiner Ehser, den grössten Teil des benötigten Baugeländes, dass direkt gegenüber seiner Firma, der Hitdorfer Brauerei, an der Schulstrasse der heutigen Parkstrasse lag, zur Verfügung.
Es ist anzunehmen, dass Pabstmann nicht so ganz uneigennützig in der Sache dachte. Die Zukunft seiner eigenen Firmen und die der dafür benötigten qualifizierten Mitarbeiter spielten wohl auch eine treibende Rolle. Denn Pabstmann war seinerzeit einer der grössten Arbeitgeber Hitdorfs. Baustoffhandel, Ziegelei und die immer grösser werdende Brauerei veranlassten ihn wohl auch dazu, an die Qualifikation seiner zukünftigen Mitarbeiter zu denken.
Nachdem sich der Gemeinderat und Bürgermeister Rosellen auf die Finanzierung einigten, schlossen Bürgermeister Rosellen als Bauherr und Pabstmann als Bauunternehmer am 11.Januar 1842 einen Vertrag in der sich Pabstmann zu folgendem verpflichtete:
„Den Neubau des zweigeschossigen dreiklassigen Schulgebäudes mit 5 Wohnlokalen (Räumen?) inklusive Nebengebäuden und einem Brunnen für 4100 Thaler schlüsselfertig bis zum 01. Juli 1843 zu errichten, sowie die Reparatur und Renovierung der alten Schule an der Kapelle!“
Links im Bild die 2. Hitdorfer Schule von 1843 an der Schulstrasse, der heutigen Parkstrasse um 1930
Foto: Johann Josef Leonhard, Hitdorf
Standort der 2. Hitdorfer Schule im Juni 2006
Foto: Dirk Hülstrunk, Hitdorf
Links im Bild die 2. Hitdorfer Schule von 1843 an der Schulstrasse, der heutigen Parkstrasse um 1955
Foto: Michael Hohmeier, Stadtarchiv Monheim
Und Pabstmann lieferte. Pünktlich zum 01. Juli 1843 wurde der neue Schulbau an der Schulstrasse, der heutigen Parkstrasse feierlich an die Gemeinde Hitdorf und deren Schüler übergeben.
Wie genau sah nun das neue Schulgebäude aus, zu dem Pabstmann sich verpflichtet hatte es zu bauen?
Es war ein zweigeschossiger Backsteinbau von 72 x 40 Fuß. Ein damaliges Fuß entspricht 30,48 cm. Dieses entspricht in etwa einem Aussenmass von ca. 22 x 12 Metern auf einem Schulgrundstück von etwas mehr als einem Morgen Land, ca. 2500m2.
Im Erdgeschoss befanden sich neben den drei Klassenzimmern auch ein 7 Fuß breiter Flur und einer Lehrerwohnung von einer Küche und zwei Wohnzimmern von 11,5 x 10 Fuß Grösse.
Im 1. Stock waren zwei weitere Lehrerwohnungen eingebaut. Die Nebengebäude, darunter auch ein Doppelstall, ein Brunnen und der Schulhof lagen nordöstlich des gewalmten Schulhauses.
Vor dem Einzug in das neue Schulgebäude, diente der angemietete Tanzsaal des Fabrikanten Bernhard Salm als Unterrichtsraum, da der Zustand in der alten Schule wohl kaum noch tragbar war. Am 01. April 1842 musste dann auch noch die 2. Lehrerstelle neu ausgeschrieben werden, da der 2. Lehrer Arnold Kohl seine Position aufkündigte. Die dritte Lehrerstelle wurde von einem Aspiranten betreut. Bis zur Besetzung der 2. Lehrerstelle durch einen neuen Bewerber wurde die Stelle vertretungsweise durch den Opladener Lehrer Weber bis zum 01. Mai 1843 verwaltet.
Von den Unterlehrern, die unter dem Hauptlehrer Brandt unterrichteten, sind folgende bekannt:
• 1844 Wilhelm Schiefer
• 1854 Aspirant Vehling
• 1857 Friedrich Kürten
• 1858 Aspirant Geyr
• 1859 Josef Hochstätter aus Bürrig
• 1860 Johann Tisken
• 1863 Christoph Osthoff
1864 starb der Hauptlehrer Brandt. Er stand 37 Jahre im Dienst der Hitdorfer Gemeinde, davon 24 Jahre als Hauptlehrer an den beiden Hitdorfer Schulen.
Sein Nachfolger wurde ab dem 01. September 1864 der Hauptlehrer Uebber. Dessen Nachfolger waren die Rektoren Helpenstein und Schneider.
Durch die weiter wachsende Bevölkerung Hitdorfs kam auch die neue 2. Hitdorfer Schule schnell an ihre Kapazitätsgrenze und auch noch weit darüber hinaus. Zu erwähnen ist hier, dass in der ursprünglich als drei-Klassige geplanten neue Schule schon ab Mai 1897 fünft-Klassig, ab 1906 sechs- und ab 1922 sogar sieben-Klassig unterrichtet wurde. Diese Schulnot konnte auch nicht durch einen zwischenzeitlich errichteten Anbau an die Schule, noch durch einen dauerhaft angemieteten Saal gebannt werden.
So entsprang in dem seit 1857 gebildetem Stadtrat der neuen Stadt Hitdorf schon 1904 die zarte Idee eines neuen grösseren Schulgebäudes. Wie so oft scheiterte diese Idee an den mangelnden Finanzmitteln der Stadt.
Wieder einmal war es eine willensstarke und selbstbewusste Persönlichkeit, die diese Idee nie aus den Augen verlor und sich eindrucksvoll im Stillen für die Beschaffung der finanziellen Mittel bemühte! Der Name dieser Persönlichkeit war der seit 1905 ins Amt des Bürgermeisters gewählte Dr. Franz Müller!
Von der ersten zarten Idee 1904 dauerte es aber noch mehr als 20ig Jahre bis zu Umsetzung des neuen geplanten grösseren Schulgebäudes.
1925 entschied sich der, nach fast zwanzigjähriger Diskussionsphase, Stadtrat für einen Schulneubau. Nach nur zwölfmonatiger Bauzeit wurde das neue Gebäude am Sonntag den 23. Oktober 1927 eingeweiht. Ferdinand Crone aus Monheim war sein Architekt. Das Bauunternehmen Heinrich Rotterdam führte die Arbeiten aus. An das zunächst sechs Klassenräume zählende und 1938 um zwei Klassen erweiterte Gebäude setzte der Architekt winkelförmig die Turnhalle an. Die im expressionistischen Stil errichtete Schule besticht durch ihre Fassadenornamentik mit Oldenburger Klinkern und weißem Fugennetz über einem Basaltsockel. Als interessantes und in Leverkusen einzigartiges Baudetail ziert die Straßenseite der Turnhalle das Felsingsche Turnerkreuz. Das Treppenhaus mit Brunnen und Glasfenstern des Neussers Severin Wasen sind in ihrer ursprünglichen Form bis heute erhalten.
Die 3. Hitdorfer Schule, die Volksschule 1927
Foto: Hitdorf, Chronik eines Bergischen Hafens
Die Kath. St. Stephanus Grundschule im Juni 2006
Foto: Dirk Hülstrunk, Hitdorf
Den Tag der Schuleröffnung wurde feierlich mit einem Gottesdienst in der St. Stephanus Kirche begonnen. Nach diesem versammelte sich die ganze Festgemeinde vor dem neuen 3. Hitdorfer Schulgebäude. Nachdem der Architekt Ferdinand Crone dem Hitdorfer Bürgermeister Dr. Franz Müller den Schlüssel für den Neubau mit dem Wunsch, dass „die Schule mit deren Vollendung, ein Segen für die Jugend Hitdorfs werden möge!“ überreichte, reichte Dr. Müller den Schlüssel an den Rektor Schneider weiter, mit der Bitte und der Hoffnung, dass dieser sie in gute Obhut nehmen und stets für innere und äussere Ordnung sorgen möge!
Nachdem Rektor Schneider die prächtige Eingangstüre geöffnet hatte, betraten zunächst die Geistlichen die neue Schule. Ihnen folgten die Gäste und Einwohner Hitdorfs. Im Flur der Schule war ein Altar aufgebaut, an dem Herr Pfarrer Heitzer die kirchliche Weihe der neuen Schule vornahm.
Nachdem die Weihe vollzogen war, zog die ganze Festgemeinde in die neue Turnhalle. Dort eröffnete Bürgermeister Dr. Müller den Reigen der Festansprachen.
Die neue Volksschule Hitdorf in den 1940er Jahren
Foto: Johann Josef Leonhard, Hitdorf
Eröffnungsrede des Bürgermeisters Dr. Franz Müller zum
Schulneubau am 23. Oktober 1927
„Ein bedeutungsvoller Tag ist heute für unsere Gemeinde gekommen. Bewegten Herzens verlassen wir das über 80 Jahre alte Schulhaus, in welchem mehrere Generationen Unterricht genommen. Und da gedenken wir der vielen von großer Pflichttreue erfüllten Lehrpersonen, die drinnen wirkten, und erkennen mit aufrichtigem Danke ihre Verdienste an. Das Gefühl der Wehmut beim Scheiden vom alten Schulhaus weicht der festlichen Freude, die uns alle erfüllt angesichts des Neubaues, dem wir heute die Weihe geben wollen.
Zu dieser Feier begrüßen wir hochverehrte Gäste und heißen wir an erster Stelle die Vertreter des Herrn Regierungspräsidenten, Herrn Reg-Direktor Dr. de Terra und Herrn Oberreg.-Rat Premer herzlich willkommen. Durch die Unterstützung der Staatsregierung ist der Schulneubau nur möglich geworden. Der Staatsregierung sage ich daher besonderen Dank, der nur vergolten werden kann durch gewissenhafte Arbeit im Dienste der Schule, die ich gern namens der Gemeinde zu leisten verspreche.
Sehr bedauere ich, daß die Herren Regierungsräte Wierichs und Piercher nicht der Einladung folgen konnten. Ist doch der Neubau der Schule wie der Turnhalle durch so manche Besprechungen mit ihnen und Herrn Reg.-Assessor Rademacher sehr gefördert worden. Ich freue mich, daß Sie, Herr Rademacher, heute unter uns sind, der Sie sich so anerkennend für die Gemeinde verwandten. Herr Landrat Trimborn und Herr Kreissyndikus Henrichs sind leider verhindert, um so mehr begrüße ich herzlichst Herrn Geheimrat Dr. Lucas, durch dessen Eintreten finanziell der Bau der Turnhalle wesentlich unterstützt wurde. Vielen Dank Herrn Schulrat Tönnies und Herrn Rektor Jung für ihre Mitarbeit, ebenso Herrn Oberregierungsrat Schräder und Herrn Baurat Ru-dolph, die Sie die technische Leitung und Durchführung der Bauten in so anerkennenswerter Weise betreuten. Ein weiteres Willkommen allen anderen Gästen, insbesondere den geistlichen Herren, Pfarrer Heitzer und Pfarrer Schüller, den Herren Bürgermeistern der Nachbargemeinden Dr. Claes aus Wiesdorf und Schürholz aus Monheim, Herrn Gemeindevorsteher Wirtz aus Rheindorf, der Presse sowie den übrigen Damen und Herren.
Der Schulneubau hat eine mehr als 20jährige Geschichte. Es sind vier Projekte auf-gestellt, von denen die beiden ersten wegen der Lage und nicht ausreichenden Größe der Grundstücke nicht ausgeführt wurden. Ein Grundstück in der Größe, wie es nötig war, konnte nur durch die wirtschaftliche Zusammenlegung, die von 1909 bis 1914 zur Durchführung kam, erlangt werden, und der von 1914 bis 1918 tobende Weltkrieg gab der Gemeinde nicht den Mut zum Neubau und erst recht nicht die alle Werte zerstörende Inflation, in der die Regierung ein drittes Projekt zu dem Umbau der alten Schule betrieb, das aber mit der Inflation verschwand. Wie fast alle Städte, so hat auch Hitdorf nach der Inflation vor einer großen Aufgabe gestanden. Behebung der Erwerbslosigkeit, Beseitigung der Wohnungsnot, Straßenbau etc. erforderten große Opfer. In der Erkenntnis, daß bei dem Wiederaufbau unseres Volkslebens mit der Jugend begonnen werden muß, und daß die Volksschule das eigentliche Rückgrat für die Volksbildung ist, ist die Erörterung des Schulneubaues Ende 1924, Anfang 1925 erneut energisch aufgenommen worden. Herr Architekt Crone fertigte Anfang 1925 das von der Stadtverordnetenversammlung gutgeheißene vierte Projekt für eine acht-klassige Schule mit Turnhalle und Rektorwohnung an, das nach einigen Änderungen von der Regierung genehmigt, und am 16. Juli 1925 von der Stadtverordnetenversammlung, zunächst für 6 Klassen auszuführen, beschlossen ist. Mehr als ein Jahr verging, bis alle Fragen auf finanziellem und technischem Gebiete mit den zuständigen Behörden geklärt und entschieden waren. So konnte am 16. August 1926 mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen werden, und am 9. September 1926 fand die feierliche Grundsteinlegung statt.
Nun ist das Werk vollendet. Dem Erbauer, Herrn Architekt Crone, gebührt unser herzlichster Dank. Seine Sachkenntnis und großen Mühen, wie die sehr gewissenhafte, von ihm selbst ausgeübte Bauaufsicht vom ersten bis zum letzten Tage der Bauzeit, ließen das schöne Bauwerk entstehen. Das schmucke städtebaulich zweckmäßig eingefügte Gebäude bedeutet bei der in aller Dankbarkeit und Anerkennung von der Staatsregierung sowie dem Kreise gewährten finanziellen Unterstützung ein hübsches Loch in unseren schwachen Gemeindefinanzen.
Die Gesamtkosten der sechs Klassen betragen 150 000 RM, die der Turnhalle 40 000 RM und die Kosten der inneren Einrichtung 12 000 RM. In unserer ernsten Zeit, in der die Wiederaufrichtung unseres Vaterlandes so schwere Opfer heischen, ist es doppelt erfreulich, wenn für das sicherlich idealste Bedürfnis Sinn, Verständnis und Mittel sich zeigen und dürfen wir mit Recht sagen, daß unsere Mittel für die Schule solch nützliche Verwendung gefunden haben.
Die Bedeutung einer guten Schule in der Gemeinde wissen Sie alle zu schätzen.
Die Schule muß innerlich und äußerlich so eingerichtet sein, daß die Kinder den anfangs so schweren Gang immer freudiger antreten, daß aber auch die Lehrpersonen in den Räumen sich wohl fühlen, in denen sie ihrer aufopfernden mühevollen Tätigkeit obliegen. Wenn durch die sehr wesentliche Unterstützung der äußerlichen Verhältnisse allseits mit Lust und Liebe gearbeitet werden kann, dann macht sich der segensreiche Einfluß der Schule auf Haus, Familie und Gemeinde immer mehr und mehr bemerk-bar. Und die Vorbedingungen finden wir erfüllt, wenn wir das stattliche neue Haus betrachten.
Mit freudigem Herzen weihen wir heute die neue Schöpfung ein, als eine würdige Stätte für die Erziehung und Bildung unserer Jugend. Vermag doch neben dem Elternhaus nur die emsige, treue und unermüdliche Arbeit der Schule in die Kinder-herzen die Keime der Gottesfurcht, Wissenschaft und Vaterlandsliebe zu legen, die bei dem heranwachsenden Geschlechte reifen sollen. Was wir der Schule geben, tun wir mit Gott für Vater- und Heimatland, und auch das schwerste Opfer wird sich hundertfältig lohnen. Bildung und Gesittung, ein treudeutscher Sinn, ein lebhaftes Gefühl für Recht und Wahrheit - das sind die herrlichen Güter, deren Erwerb die Schule anbahnt und die auch bei uns, so Gott will, in Treue fort und fort in der neuen Schule sich entfalten mögen."
Die neue Volksschule Hitdorf in den 1950er Jahren
Foto: Johann Josef Leonhard, Hitdorf
Nachdem schon der 1. Weltkrieg und dessen Wirren und die daraus resultierende Hyperinflation in den 1920er Jahren mit verantwortlich für die Verzögerung des Neubaus der 3. Hitdorfer Schule war, blieb auch der 2. Weltkrieg nicht ohne Auswirkungen auf die neue Schule.
Als gegen Ende 1944 die sich durch die zurückziehende Wehrmacht näher rückende Front und die damit auch vermehrte Gefahr durch Fliegerangriffe auch das Leben der Kinder in der Schule und auf ihrem Hin- und Rückweg bedrohte, blieben die Schultore geschlossen. In Behelfsräumen fanden sich die Kinder ein, in kleinere Gruppen aufgeteilt:
Im Oberdorf in der Wirtschaft Steinkühler (Festhalle), in der Ortsmitte in der Gaststätte Kürten (Im Schokker) und im Unterdorf (Lohr) im Lokale Kohnen.
Durch die sich steigernden Fliegerangriffe und einen erhöhten Artilleriebeschuss von der linken Rheinseite kam auch dieser behelfsmässige Unterricht zum Erliegen.
Wie gut es gewesen war, dass das Schulhaus geschlossen worden war, zeigte sich schon bald. Granaten der feindlichen Artillerie zerstörten Teile des Dachstuhles, die Turnhalle und mehrere Klassenräume. Kein Fenster an dem großen Gebäude blieb heil und viele Türrahmen und andere Holzteile lösten sich in Splitter auf.
Mit dem Ende des Krieges im April 1945 und der dann eintretenden wärmeren Jahreszeit lief dann auch der normale Unterricht allmählich wieder an.
Die Hans Christian Andersen Grundschule in den 1970er Jahren
Foto: Johann Josef Leonhard, Hitdorf
Die Rückseite der Volks- und Grundschule
in den 1970er Jahren
Foto: Johann Josef Leonhard, Hitdorf
In den 1960er Jahren stellte man der Hitdorfer Volksschule eine neue moderne Grundschule zur Seite. Die „Hans Christian Andersen Schule“
Im Zuge der kommunalen Neugliederung und der Schulreform in den 1970er Jahren wurde auch die Volksschule in eine Grundschule umgewandelt.
Seit 1982 trägt diese neue „alte“ Schule den Namen „St. Stphanus Grundschule“
Last Update 13. Juli 2025